6. Februar 2022
15. Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung
Am Freitag, 6. Februar 2022, jährt sich der International Day of Zero Tolerance for Female Genital Mutilation zum 15. Mal. An diesem Tag soll die internationale Aufmerksamkeit auf diese lebensbedrohlichen, schmerzhaften und erniedrigenden traditionellen Praktiken der FGM gelenkt werden, die das Leben von Millionen Mädchen und Frauen weltweit körperlich, psychisch und oftmals auch endgültig zerstören.
Laut UNO Definition ist FGM jeder Vorgang, der weibliche Genitalien medizinisch nicht begründet verändert oder verletzt. Die internationale Staatengemeinschaft erkennt in FGM Gewaltakte gegen die Menschenrechte, die Gesundheit und die Integrität von Mädchen und Frauen. Die UNO hat das Ziel, dass ab 2030 keine FGM mehr vollzogen wird. Insgesamt sind weltweit aktuell 200 Mio. Frauen FGM-Opfer dieser jahrtausendealten und sozio-kulturell begründeten Praktik.
Aktion Regen für den Schutz und die Stärkung von Mädchen und Frauen
“Wissen bringt Freiheit”, wusste schon Dr. Maria Hengstberger, als sie 1989 Aktion Regen gründete, um den Frauen in Afrika Aufklärungswissen zur Erleichterung ihres Lebens und zum Schutz ihrerer Gesundheit bieten zu können. Dieses Wissen über Familienplanung und sexuelle & reproduktive Gesundheit ist im Aktion Regen-Bildungsprogramm “Knowledge as a Chance” niedergeschrieben und beinhaltet alle Informationen und Fakten, die für eine Abkehr der FGM-Praktik wichtig sind. Dises Wissen kann Mädchen und Frauen frei von FGM machen.
➡️ Daten & Fakten für Afrika*
- FGM-Praktik: in 31 Ländern
- gesetzliches FGM-Verbot: in 24 Ländern
Beispiel Kenia
- 21% der Frauen zwischen 15 u 49 J Betroffene
- 38 der 43 Ethnien praktizieren FGM aus verschiedenen Gründen
- Seit 2011 per Gesetz für Kinder unter 18 J verboten
- Regierungsziel: Ausrottung bis 2023
- Regionale saisonale Beschneidungen der Kuria
im Dezember 2021: mind. 500 Mädchen wurden Opfer - Ablehnung von FGM bei Mädchen und Frauen (15 – 49 J) 93% !!!
*Erhebungen durch Terres des Femmes, Quelle
Aktion Regen-RAIN WORKERS treiben den Kampf gegen FGM voran
Unsere RAIN WORKER verbreiten niederschwellig und in Kenntnis der lokalen Traditionen und Überzeugungen dieses Wissen unter Menschen mit geringem Bildungsgrad. Hierbei helfen die anschaulichen, teilweise “entkörperlichten” Unterrichtsmaterialien von Aktion Regen, die TEACHING TOOLS — um das komplexe Wissen “greifbar” zu machen und vorhandene Tabus besser zu überwinden.
Im Bild zu sehen ist die erfahrene RAIN WORKER-Trainerin Joan Khamala, mit dem ZYKLUSTOOL “BABYKETTE”, dem Gebärmuttermodell “LITTLE MOM” und dem zur FGM-Aufklärung entwickelten Klitoris-TOOL. Mit dessen Hilfe demonstrieren RAIN WORKERS, dass der äußerlich sichtbare Teil der Klitoris nicht einfach ein verzichtbares “Hautstückchen” ist, sondern nur ein kleiner Teil des großteils im Körper liegenden, lebenswichtigen Organs, das sogar doppelt soviele Nervenenden (8.000!) wie der Penis (4.000) birgt.
Die Entfernung der Klitorisspitze im Zuge von Initiationszeremonien oder anderen traditionellen Handlungen wird meist von nicht-medizinischem Personal durchgeführt, mit nicht-sterilen Werkzeugen und ohne Betäubung. Im schlimmsten Fall führt diese enorme Verletzung zum Tod des Mädchens oder der Frau, in jedem Fall sind große Schmerzen und eine lebenslange körperliche Behinderung die Folge. Viele Männer, die an den Aufklärungs-Workshops der RAIN WORKER teilnehmen sind sich der körperlichen und psychischen Folgen von FGM nicht bewusst und darüber entsetzt, wenn sie begreifen, was ihr Mädchen erleiden muss oder ihre Frau(en) erlitten hat(ben).
Die Mädchen waren sehr froh, im Dezember wieder in unser Safe Camp kommen zu dürfen und dort vor FGM geschützt zusein, ” berichtete Margaret Bachlechner, FGM-Expertin bei Aktion Regen und Trainerin im Safe Camp im District Kuria / Südwest-Kenia. “Und die Eltern brauchen weiterhin Aufklärung, kommunale und medizinische Unterstützung durch Gesundheitseinrichtungen, um noch mehr über die Risiken von FGM zu lernen. Die Medien müssen ebenfalls den Veränderungsprozess in der Gesellschaft unterstützen.”
Ich versuche den Menschen in meiner Community zu zeigen, wie die schlechten kulturellen Praktiken, wie FGM, ihr gesellschaftliches Wachstum und ihre Entwicklung beeinträchtigen.” erklärt RAIN WORKER Lester Linti von unserer Partner NGO CAFGEM
Trainerin Margaret Bachlechner und RAIN WORKER Lester Linti haben beide im Safe Camp (Oktober und Dezember 2021) 136 Mädchen betreut, trainiert und aufgeklärt. Beide haben sich dem Kampf gegen FGM verschrieben, und beide wissen, dass Verständnis durch Wissen bei den FGM-durchführenden Personen entstehen muss. Lester schätzt die vielfältige Kultur seiner Landsleute, doch er betont widerholt, dass nur die “guten” Traditionen bleiben sollen und die Menschen sich von den gefährdenden Praktiken befreien müssen.
Perspektive?
Im Film “The Cut” der kenianischen Filmemacherin Beryl Magoko aus 2012 über FGM im Gebiet der Kuria / Südwest-Kenia überlegt eine sehr alte, beschnittene Frau:“Niemand kann sich an jene Zeit erinnern, als es (FGM) begann.” Und sie persönlich kann sich auch keine Zeit vorstellen, wo es kein FGM mehr gibt.
Ein ca. 35-jähriger Mann räumt ein, dass FGM Teil der Kultur seines Volkes sei, doch er erkenne, dass langsam, über mehrere Generationen hinweg, das Ende von FGM unweigerlich kommen wird.
Ein junges Mädchen von ca. 17 Jahren, die mit 10 Jahren FGM erleiden musste, sagt:“Ich werde das niemals meinen Mädchen antun lassen. Ich will, dass FGM aufhört.”
Es werden viele Kräfte auf verschiedenen Ebene zusammenwirken müssen, um FGM endgültig zu beenden:
- Die nationalen Regierungen müssen verstärkt die Einhaltung der vorhandenen FGM-Verbots-Gesetze überwachen oder überhaupt erst solche in jenen Ländern beschließen, wo das noch nicht der Fall ist (in Afrika sind das sieben Länder, wo FGM stattfindet); die Kontrollen müssen verlässlich von den zuständigen lokalen Exekutiveinheiten erfolgen, in Kooperation mit Kindeswohl-Behörden.
- Die Zivilgesellschaft, vor allem in ländlichen Regionen und mit geringen Bildungsmöglichkeiten, benötigt weit verbreitet und wiederholt Stärkung und Aufklärung, wie es Aktion Regen mittels der RAIN WORKER in Partnerschaft mit lokalen NGOs betreibt. Benötigt werden noch viel mehr RAIN WORKER, für noch stärkeren Wissensregen!
- Realistische soziokulturelle und ökonomische Perspektiven müssen als Alternativen zu FGM gemeinsam mit und für die praktizierenden Ethnien entwickelt und verbreitet werden.
- Die internationale Staatengemeinschaft muss intensiver auf die Einhaltung der Menschenrechte bei jenen Mitgliedsländern pochen, die diese durch FGM laufend verletzen.
- Die Regierungen der EZA-Geber-Länder müssen Bedingungen an die EZA-Gelder knüpfen, ebenso wie private Investor*Innen, v.a. hinsichtlich Einhaltung der Menschenrechte, garantierter Gesundheitsversorgung und Bildungchancen für alle.
- FGM-Aufklärung muss in allen Ländern erfolgen, auch im Globalen Norden bzw dort, wo FGM über Migration (verborgene) Realität ist; eine inhaltliche Verankerung in den Bildungsplänen (Ethik, Geographie u Wirtschaftskunde,…) sorgt für Wissen, Sensibilisierung, Verständnis, Engagement. Wir sind alle eine Welt!
#TogetherWeEndFGM #ZeroFGM #humanrights
Lilian — 14 Jahre, Loice — 10 Jahre, Prudence — 12 Jahre sind drei der 136 Mädchen, die durch das Safe Camp vor FGM geschützt und aufgeklärt werden konnten.